Art to take 2009
Sehr erfolgreich gestaltete sich die Teilnahme an der diesjährigen 13. Art to take Iserlohn ,
die sich zu einer kleine Kunstmesse mit überregionaler Bedeutung entwickelt hat.
Schön bestätigt wurde dies von über 500 interessierten Besuchern in nur 2 Tagen.
Anverwandlungen Zeichnungen und Bilder von Katja Luke
Joachim Fests Tagebuch seiner italienischen Reise "Im Gegenlicht" enthält einen kenntnisreichen und eigenwilligen Essay über das Werk des römischen Dichters Vergil und dessen Rezeptionsgeschichte in Rom und in den Ländern des späteren Europa. Beiläufig merkt Fest an, dass es zur Auslegungs-geschichte Vergils gehöre, wie er sich das Werk Homers anverwandelt, "es durch Anspielung, Veränderung oder Umdeutung fortsetzt", ohne bei alledem ein bloßer Nachahmer zu sein.
Um Anverwandlungen geht es auch im Werk von Katja Luke - allerdings über die Gattungsgrenzen der Künste hinweg. Hier lernt nicht der jüngere Dichter von dem älteren Kollegen, der zu Ruhm gelangt ist und dessen Werk er in schöpferischer Weise fortführt. Vielmehr tritt eine bildende Künstlerin in einen Dialog mit Dichtern, Architekten und frühgeschichtlichen Kulturen und verwandelt sich diese aus dem Geist und mit den Mitteln der Moderne an.
Solche Anverwandlungen über die Zeiten und die künstlerischen Disziplinen hinweg sind für den Bestand einer Kultur lebensnotwendig. Sie stiften geistige Verwandtschaften, lassen Kontinuitäten sichtbar werden, halten Erinnerungen an das Vergangene lebendig und tragen auf diese Weise dazu bei, kulturelle Identität zu sichern und fortzuentwickeln.
Nicht zufällig steht die Fähigkeit, sich das Andere anzuverwandeln, mit der geistigen Herkunft und Ausbildung von Katja Luke in Zusammenhang. Sie hat am Mozarteum in Salzburg eine Ausbildung zur Bühnenbildnerin erfahren, ein Beruf, für den es geradezu charakteristisch ist, Worte der Dichter und den Klang der Musik auch optisch zur Geltung zu bringen. Und gerade Österreich, das einst als Weltreich viele Kulturen in sich vereinigte, hat sich die Sensibilität für das Vergangene und die Vergänglichkeit in besonderer Weise bewahrt und diese als Vorzug und Last empfunden.
Dieser Genius loci und insbesondere die Stadt Salzburg mit ihrer barocken Prachtentfaltung in Schlössern, Parks und Kirchen, aber auch mit dem Wissen um die Vergänglichkeit, an die das jährliche Jedermann-Spiel erinnert, haben Katja Luke geprägt und spiegeln sich in der Atmosphäre ihrer Bilder.
Eine zweite Quelle der Inspiration und Gegenstand der Anverwandlung sind lyrische Gedichte. Katja Luke lässt sich  beeindrucken von moderner, aber auch von klassischer Lyrik und interpretiert diese mit Zeichenstift und Pinsel in der ihr eigenen künstlerischen Ausdrucksweise. Ihre Werkreihen und Bildtitel setzen den Großen unter den Lyrikern des 20. Jahrhunderts Denkmäler.
Einen weiteren Zugang zum Verständnis der Malerei von Katja Luke eröffnet Stefan Georges berühmtes Herbstgedicht Komm in den totgesagten Park, das ihr mehrfach als Vorlage für bildkünstlerische Anverwandlungen  diente.
Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade.
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade.
Dort nimm das tiefe gelb das weiche grau
Von birken und von buchs. Der wind ist lau.?
Die späten rosen welkten noch nicht ganz.
Erlese küsse sie und flicht den kranz?
Vergiß auch diese letzten astern nicht.
Den purpur um die ranken wilder reben.
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht. (3)
Georges Gedicht ist eine Einladung in den herbstlichen Park und eine Aufforderung, dessen vergehende Schönheit zu genießen. Zentrale Motive, die auch die Kunst Katja Lukes bestimmen, sind hier vorgeprägt: Der Park als artifizielle, vom Menschen nach künstlerischen Gesichtspunkten angelegte Landschaft. Die Aura des Ortes, die sich nur dem Ästheten erschließt, während er für den Normalbesucher seinen sommerlichen Reiz verloren hat. Die erlesenen Farben und die Farbkontraste: das tiefe Gelb, das weiche Grau, das unverhoffte Blau, der Purpur wilder Reben und die Reste grünen Lebens. Und schließlich: die Schönheit des Herbstes, des Spätzeitlichen und Vergänglichen.
Diese Motive und Farben bestimmen auch die Landschaftsbilder der Salzburger Zeit. Gedeckte Farben herrschen vor: dunkles Grün und Blau, Braun- und Ockertöne, gedämpftes Gelb und Weiß. Die Farben sind nebeneinander gestellt, harmonieren miteinander und werden zu einem Farbklang, dessen optische Schönheit den lyrischen Vorlagen entspricht. Ich versuche Farbklänge zu schaffen, die beim Betrachter positive Gefühle auslösen, ähnlich wie beim Anhören von Musik (4).
Menschen treten in diesen Arbeiten zurück. Als schmale, langgezogene Gestalten, einsam oder als Paare - als solche nicht weniger einsam - stehen sie unauffällig im Hintergrund oder gliedern als vertikale Elemente die horizontale Flächen.
Dennoch behauptet Katja Luke: Meine Bilder beschäftigen sich mit den drei großen Themen der Malerei: dem Menschen, der Landschaft und den Städten. (5) Diese Sujets stehen für die Künstlerin in einem inneren geistigen Zusammenhang; denn das menschliche Bewusstsein hat auch Städte und Landschaften geprägt. Das ist für Städte offensichtlich, für Landschaften auf den ersten Blick überraschend. Aber tatsächlich tritt uns heute die Natur fast ausschließlich als gestaltete Natur entgegen und wird als solche zum ästhetischen Erlebnis. In besonderer Weise gilt dies natürlich für Parks als Schöpfungen des menschlichen Geistes. So darf man im Umkehrschluss sagen: Wenn der Künstler heute Landschaften zu seinem Thema macht, begegnen ihm auch hier die Folgewirkungen menschlicher Kulturtätigkeit.
Im bisherigen Werk von Katja Luke finden sich Darstellungen von Menschen im engeren Sinne vor allem in größeren Werkreihen von Aktzeichnungen und vereinzelt auch in plastischen Arbeiten aus Ton. Seit etwa 2004 setzt sich die Künstlerin in einer neuen Serie von Arbeiten mit dem Thema Kopf auseinander.
Auch hier geht es um Anverwandlungen insofern, als nicht lebende Personen Modell stehen, sondern bereits Vorgeformtes zum Gegenstand künstlerischer Auseinandersetzung wird. Sie nennt die Bilder dieser Werkreihe Idole und greift damit zurück auf die Kunst frühgeschichtlicher Kulturen, wie sie uns in der Kunst der Kykladen, der neolithischen Kulturen Anatoliens, aber auch in den Masken afrikanischer Kunst entgegentritt. Dabei interessiert die Künstlerin, wie gerade in den ganz frühen Selbstdarstellungen menschliches Bewusstsein erwacht und der Mensch beginnt, von sich selbst Bilder zu entwerfen. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Kopf, weil er uraltes Symbol der geistigen Kraft, Träger des Bewusstseins und Spiegel der Seele ist. Bildtitel verweisen auf den meditativen und spirituellen Charakter dieser Bilder: Ikone (2004), Triptychon (2006), Weißer Kopf auf Blau (2006), Idol (Roter Kopf) (2007), Leben, Tod und Grauzonen (2007), Zugewendet (2007), Vergehen (2007) oder Trauer (2007).
Mit dieser neuen Werkreihe setzt auch ein Stilwandel ein: Unverkennbar ist die Tendenz zu stärkerer Abstraktion. Der dargestellte Gegenstand wird großflächiger, die Konturen zwischen Motiv und Hintergrund treten schärfer hervor und die Farben hellen auf. Die sparsamen Linien der stark abstrahierten Köpfe spiegeln dennoch die wichtigsten physiognomischen Merkmale wider, vor allem aber die geistige Verfassung und psychische Zustände. Sichtbar wird in diesen Bildern, wie der Mensch sich erlebt: begrenzt durch Geburt und Tod, lebend als Einzelner und in der Gesellschaft, sich selbst ein Rätsel und Geheimnis. Und dies scheint ebenso zu gelten für unsere prähistorischen Vorfahren wie für uns, deren postmoderne Nachfahren.
Fragen wir zum Schluss: Worin besteht die charakteristische Eigenart des hier vorgestellten künstlerischen Werks? - Katja Luke stellt sich bewusst in die Tradition europäischer Malerei. Sie greift deren vorherrschende Sujets Mensch, Landschaft und Stadtansichten auf, verwandelt sich diese an, schafft sie neu und gibt sie weiter als Kunstwerke, denen sie ihren unverwechselbaren Stil eingeprägt hat. Diese Bilder verfolgen keine Ziele jenseits ihrer selbst, es sind Gebilde der freien Kunst. Aus ihnen sprechen Harmonie und Schönheit in einem klassischen Sinn. Komm ...und schau.
Rüdiger Kaldewey
Sammlung Kaldewey Saarbrücken